Wenn man morgens sich die Leute im Zug ansieht, die zur Arbeit fahren, dann schaut man oft in müde und demotivierte Gesichter. Aktuelle Studien zeigen, dass die Loyalität der Mitarbeitenden zu ihrem Arbeitgeber weiter am Sinken ist. Nur 16 Prozent aller Arbeitnehmenden fühlen sich ihrem Unternehmen verbunden und jeder 6. hat bereits innerlich gekündigt!
Aber warum ist das so? Warum schaffen es viele Unternehmen nicht, ihren Mitarbeitenden ein spannendes Umfeld zu bieten? Einen Ort, wo es sich «lohnt», nicht nur wegen des Lohnes hinzufahren, sondern auch, weil man Spaß hat?
Einer der Gründe ist aus meiner Sicht die fehlende Zeit in dieser schnelllebigen Welt. Man muss hunderte von E-Mails jeden Tag beantworten und hetzt von einem Meeting zum nächsten. Da bleibt keine Zeit mehr für den Austausch und auch mal den Schwatz beim Kaffee. Aber genau das ist es doch, was die Beziehung stabilisiert und dazu führt, dass sich Menschen wohl fühlen.
Wenn man sich weitere Zahlen aus aktuellen Studien ansieht, dann wird klar, wie dramatisch die Situation eigentlich ist:
• Nur 15 % der deutschen Angestellten sind emotional engagiert .
• In Europa sind 50% der Arbeitnehmenden glücklich am Arbeitsplatz
• Mitarbeitende in Büro, Vertrieb und dem Baugewerbe haben mit 12% die niedrigste Engagement-Rate .
Das Engagement nicht zu fördern, kostet die Weltwirtschaft jedes Jahr 8,1 Billionen Dollar4. Und für die deutsche Wirtschaft bedeutet dies runtergebrochen zwischen 132,6 und 167,2 Milliarden Euro pro Jahr an Produktivitätsverlusten.
Etwas Wertschätzung und Vertrauen am Arbeitsplatz hat doch jeder verdient. Und man sollte vielleicht darüber nachdenken, dass man Emails auch dann schreiben kann, wenn die Mitarbeitenden und Kollegen nicht „mehr“ im Büro sind. Und wenn man den Mitarbeitenden mehr Vertrauen und Kompetenz gibt, selber auch mal Entscheidungen zu treffen, dann reduzieren sich die Anzahl Abstimmungsmeetings und man hat wieder mehr Zeit für das Wesentliche - die Mitarbeitenden und deren Bedürfnisse und Themen. Aber genau hier schein eines der fundamentalen Probleme zu liegen. Laut einer Studie von INC. aus dem Jahr 2017 sind 91 % der befragten Mitarbeitenden der Meinung, dass es ihren Führungskräften an Kommunikationskompetenz mangelt. Jeder Vierte Angestellte, der offen für einen Jobwechsel ist, könnte durch offenere Kommunikation im Unternehmen davon abgehalten werden .
Das klassische Rollenbild des „starken Leaders“ als Führungskraft wird zunehmend abgelöst. Angestellte und hier vor allem die jüngeren Generationen wünschen sich vor allem Empathie und Offenheit statt bloßer Stärke und Durchsetzungskraft!
Und wer meint, dass ein Obstkorb am Empfang nachhaltig dazu beiträgt, die Stimmung im Team zu verbessern, der irrt! Es geht vielmehr darum, dass Mitarbeitende verstehen, warum sie für die Organisation arbeiten und was die Ziele sind – der sogenannte „Purpose“!
Mitarbeitende, die in ihrer Arbeit Leidenschaft und Sinn finden, bleiben mit mehr als einer 3x höheren Wahrscheinlichkeit bei ihrem Unternehmen als diejenigen, die dies nicht tun. Eine Verbesserung der Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Sinn und der Mission ihres Unternehmens um 10 % führt zu einem Rückgang der Fluktuation um 8,1% und einer Steigerung der Rentabilität um 4,4%2. Unternehmen mit hohem Mitarbeiterengagement erzielen im Vergleich zu Unternehmen mit niedrigem Engagement bis zu 21% höhere Rentabilitätsraten und bis zu 41% höhere Produktivitätsraten2.
Man muss sich also die Zeit nehmen, gemeinsam die Vision zu definieren. Und hierbei muss es eine greifbare Vision für das Unternehmen sein und nicht eine Floskel, die für viele Unternehmen stehen könne. Wichtig ist auch, dass man diese Vision gemeinsam entwickelt und danach sicherstellt, dass jeder im Unternehmen versteht, was der Inhalt dieser Vision ist. Und dann leitet man daraus die langfristigen Ziele ab. Diese Ziele sind Orientierungspunkte oder Fixsterne, an denen man sich und seinen Weg immer wieder ausrichten kann. Auf dieser Vorarbeit aufbauend, kann man dann die Jahresziele, Teamziele etc. herunterbrechen und man hat sofort eine logische Verknüpfung mit der Vision und den großen Zielen des Teams resp. der Organisation. Und wenn man dann noch Werte definiert, mit denen man etwas anfangen kann und die nicht leere Platituden sind wie zum Beispiel: Respekt, Offenheit, Sicherheit und Ausdauer, dann kommt man einem Purpose, den die Mitarbeitenden verstehen und den sie mit gestalten können schon etwas näher. Schreiben Sie doch einfach als eines ihrer Ziele auf, dass sie es erreichen wollen, dass alle Mitarbeitenden am Morgen mit einem Lächeln zur Arbeit fahren sollten. Wenn Sie das schaffen, dann haben Sie die richtige Stimmung und Motivation und eine Organisation, die generationenübergreifend funktioniert!
Und das können sie ganz einfach überprüfen. Setzen Sie sich in Zukunft einmal in einen Zug zur Arbeit und wenn ihre Mitarbeitenden nicht mehr müde und leer im Zug sitzen, dann haben sie als Team schon vieles richtig gemacht!
Derek Brandt ist CEO, Unternehmer, Investor in Start-ups und Familienmensch. In rund 25 Jahren Berufsleben hat er sich umfangreiches Know-how im Bereich General Management und Strategie erarbeitet; sei es in jungen Firmen und Start-ups, aber auch in börsennotierten Großunternehmen. Er führte ein Schweizer Start-up aus dem Bereich Medizintechnik von 2007 bis zum erfolgreichen Exit, der im Jahre 2018 einen der größten Medtech M&As in Europa darstellte. Er hat zum Thema Teamentwicklung ein Buch geschrieben mit dem Titel: DAS TEAM DER BESTEN, dass im Wiley Verlag im Sommer 2024 erschienen ist (ISBN: 978-3-527-84766-2).
1) Marco Nink, Engagement Index, Redline Verlag, 2018, ISBN 978-3-86881-706-5
2) Gallup Engagement Index Deutschland 2021
3) 2021 Global Employee Engagement Benchmark study von Great Place to Work
4) Gallup Engagement Index Deutschland 2022
5) Studie von INC.COM, Marcel Schwantes, AUG 10, 2017
6) Studie von Avantgarde Experts, 2022
7) Studie von McKinsey, Help your employees find purpose—or watch them leave, April 5, 2021