Automatisierung und Digitalisierung sind derzeit in aller Munde – gleichzeitig aber greift die Sorge um sich, der kommerzielle Einsatz von künstlicher Intelligenz könnte zu massenhaften Jobverlusten führen. Um Arbeitsplätze zu sichern und die potenziellen finanzpolitischen Auswirkungen einer KI-bedingten Welle der Arbeitslosigkeit abzumildern, fordern unter anderem SPD und Bündnis 90/Die Grünen eine KI-Steuer.
Momentan greift vielerorts die Sorge um sich, der kommerzielle Einsatz künstlicher Intelligenz könnte erhebliche Jobverluste verursachen – nicht ganz zu Unrecht, denn mithilfe von KI lassen sich viele bisher von Menschen erledigte Aufgaben relativ unkompliziert automatisieren. Auch der Staat steht dieser Entwicklung eher skeptisch gegenüber, denn ein massiver Rückgang von Lohnsteuerzahlungen würde ein signifikantes Loch in die Staatskasse reißen. Aus den Reihen der linken Parteien kam daher ein derzeit kontrovers diskutierter Vorschlag, wie sich die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt im Ernstfall abfedern ließen: eine Sondersteuer auf künstliche Intelligenz. Doch wie sinnvoll ist ein solches Vorhaben? Welche Herausforderungen birgt die Umsetzung? Und gibt es Alternativen?
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Hinsichtlich rechtlicher Fragen handelt es sich bei KI noch um ein relativ unreguliertes Gebiet. Erst kürzlich etablierte das Europäische Parlament mit dem AI Act das weltweit erste Gesetz zum Umgang mit künstlicher Intelligenz. Entsprechende Technologien klassifiziert die EU-Verordnung nach vier vorgegebenen Risikogruppen: inakzeptables Risiko, hohes Risiko, Transparenzanforderungen und kein Risiko. Systeme, die zum Beispiel dem Social Scoring oder der biometrischen Identifizierung dienen, fallen in die erste Kategorie und gelten damit grundsätzlich als verboten. Hochrisiko-Systeme hingegen unterliegen einer strengen Überwachung und Kontrolle. In der dritten Kategorie wiederum finden sich generative Modelle, die lediglich Transparenzanforderungen bezüglich der verwendeten Daten erfüllen und eine allgemeine Kennzeichnungspflicht für KI-erstellte Inhalte beachten müssen. Allerdings durchlaufen auch diese gründliche Prüfungen. Für Technologien, die laut KI-Verordnung kein Risiko darstellen, sieht das Gesetz keine weiteren Kontrollmechanismen vor.
Definitionsdilemma und steuerliche Implikationen
Als weltweit erstes Gesetz, das sich spezifisch mit dem Thema KI auseinandersetzt, stellt der AI Act einen signifikanten Vorstoß dar. Allerdings enthält die EU-Verordnung keine belastbare Definition von künstlicher Intelligenz, die sich auch im Zusammenhang mit steuerlichen Fragestellungen anwenden lässt. Der Gesetzestext definiert KI als „ein maschinengestütztes System, das für einen in unterschiedlichem Grade autonomen Betrieb ausgelegt ist und das nach seiner Betriebsaufnahme anpassungsfähig sein kann“ (Gesetz über Künstliche Intelligenz, Art. 3 Abs. 1, 2022). Neben hoch entwickelten, spezialisierten Systemen schließt diese Einordnung allerdings auch weitverbreitete Technologien wie Foto-Filter und Saugroboter ein, die von vielen Privatpersonen genutzt werden. Als mögliche Lösung dieses Dilemmas schlug beispielsweise der Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Audretsch, im Gespräch mit dem Handelsblatt1 vor, nur jene Großkonzerne zu besteuern, die KI selbst vermehrt einsetzen oder verkaufen – wobei sich allerdings auch die Frage stellt, ob dabei der Unternehmenssitz oder das Land, in dem die Umsätze entstehen, maßgebend sein soll.
Faire Verteilung?
Trotz der vorhandenen Problematiken bezüglich der Definition von KI sowie des Anwendungsbereichs einer entsprechenden Steuer könnte Letztere der ursprünglichen Intention gemäß dazu dienen, die durch KI erzielten Produktivitätsgewinne und wirtschaftlichen Vorteile gerecht auf die Gesellschaft zu verteilen. Unternehmen, die stark in autonome Systeme investieren und dadurch hohe Gewinne erzielen, schaffen eine Ungleichheit im Vergleich zu traditionellen Arbeitskräften, die eher benachteiligt werden. Eine KI-Steuer könnte diese Disparität potenziell ausgleichen und wettbewerbsfähige Bedingungen schaffen. Auch der Staat würde dahingehend von der Implementierung profitieren, dass sich die zusätzlichen Einnahmen zur Finanzierung öffentlicher Dienste und der Infrastruktur verwenden ließen, die durch die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung unter Druck geraten.
Konsequenzen für die Wirtschaft
Zum Thema KI-Steuer melden sich allerdings auch deutlich kritische Stimmen; insbesondere der Internationale Währungsfonds IWF2 spricht sich dagegen aus.
Deutschland als Industriestandort sei darauf angewiesen, den technologischen Fortschritt zu unterstützen, um im internationalen Wettbewerb seine Führungsposition zu halten. Eine KI-Steuer hingegen würde eher Anreize für Investitionen nehmen und Innovationen insgesamt ausbremsen, wodurch Deutschland als Standort an Attraktivität verlöre. Dies wiederum zöge der Expertenmeinung des IWF zufolge Abwanderungen ins Ausland und Arbeitsplatzverluste nach sich, was für Wirtschaft und Bevölkerung eine zusätzliche Belastung bedeuten würde.
Förderung als Präventionsmaßnahme
Alternativ zu einer KI-Steuer, wie sie unter anderem SPD und Grüne fordern, empfiehlt der IWF stattdessen gezielte Förderprogramme, um potenzielle Arbeitsplatzverluste abzufedern und die staatliche Liquidität zu sichern: Umschulungsprogramme könnten Arbeitnehmer auf neue Tätigkeiten vorbereiten, die durch Automatisierung entstehen, während Schulen und Universitäten flexible Bildungspläne entwickeln, um Absolventen besser auf die veränderten Bedingungen des Arbeitsmarkts vorzubereiten. Gleichzeitig geht der IWF davon aus, dass sich durch das gezielte Vorantreiben der Digitalisierung neue Wirtschaftszweige eröffnen werden, die ihrerseits neue Arbeitsplätze schaffen. Eine weitere mögliche Maßnahme, um den staatlichen Haushalt krisensicher zu gestalten und Arbeitnehmer zu entlasten, stellt die Umverteilung von Steuerlasten dar. Hier plädieren die Wirtschaftsexperten für eine Senkung der Lohnsteuer sowie eine Anhebung der Besteuerung von Kapitalerträgen3. Zusätzlich könnte die gezielte Förderung von Branchen mit hohem Arbeitskräftebedarf, wie Pflege und Betreuung, dazu beitragen, sowohl die drohende Massenarbeitslosigkeit als auch den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
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Zum Autor:
Prof. Dr. Christoph Juhn ist Professor für Steuerrecht, Steuerberater und besitzt einen Master of Laws. Seine Schwerpunkte in der Gestaltungsberatung liegen auf Umwandlungen und Umstrukturierungen, Unternehmens- und Konzernsteuerrecht, internationalem Steuerrecht, Unternehmenskäufen/-verkäufen (M&A), Beratung für Berater sowie der laufenden Steuerberatung. Nachdem er 2011 seinen LL.M. an der Universität zu Köln erwarb, wurde er 2013 zum Steuerberater bestellt. Im Jahr 2020 promovierte er zum Dr. jur. im internationalen Unternehmens- & Umwandlungssteuerrecht und wurde noch im selben Jahr zum Professor für Steuerrecht an der FOM Hochschule Bonn berufen. Parallel dazu gründete er – nach Anstellungen in zwei Steuerberatungsgesellschaften – im Jahr 2015 die JUHN Partner GmbH und 2017 die JUHN BESAU GmbH. Parallel dazu betreibt der Steuerprofi unter @juhnsteuerberater auf YouTube einen erfolgreichen YouTube-Kanal.
Kurzprofil:
JUHN Partner ist eine Kanzlei mit Standorten in Köln, Bonn, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Dubai, die sich besonders auf die Steuerberatung von Kapital- und Personengesellschaften spezialisiert hat. Ihr Ziel: steueroptimierte Gesamtlösungen für Unternehmen, Gesellschafter und Geschäftsführer. Dazu betreut ein interdisziplinäres 60-köpfiges Team rund um Gründer, geschäftsführenden Partner und Professor für Steuerrecht an der FOM Hochschule Prof. Dr. Christoph Juhn Mandanten sowohl bei der Steuergestaltung als auch in der laufenden Beratung. Mit ihrem kaufmännischen und juristischen Wissen prüfen die Experten nicht nur die Steuereffizienz bestehender Unternehmensstrukturen und schaffen bei Bedarf maßgeschneidert optimierte Lösungen, sondern stehen im Rahmen langfristiger Partnerschaften für sämtliche nationalen oder internationalen Steuerfragen zur Verfügung. Dabei begleiten sie Organisationen sowie Anteilseigner etwa bei Umwandlungsvorgängen oder Unternehmensverkäufen, erstellen Jahresabschlüsse und Steuererklärungen oder übernehmen die monatliche Finanz- und Lohnbuchhaltung.
1 „Künstliche Intelligenz: SPD und Grüne erwägen KI-Steuer.“ Handelsblatt, 7 Julihttps://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/kuenstliche-intelligenz-spd-und-gruene-erwaegen-ki-steuer/29215960.html
2 Internationaler Währungsfonds. Broadening the Gains from Generative AI: The Role of Fiscal Policies, 2024. https://www.imf.org/en/Publications/Staff-Discussion-Notes/Issues/2024/06/11/Broadening-the-Gains-from-Generative-AI-The-Role-of-Fiscal-Policies-549639
3 „IWF: Durch KI droht Massenarbeitslosigkeit – Das sollte Deutschland jetzt tun“ BILD, 19. Juni 2024, https://www.bild.de/geld/wirtschaft/iwf-durch-ki-droht-massenarbeitslosigkeit-das-muss-getan-werden-66728a9f807085036f740fd5