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ISO 9001:2015 – Nutzen und Umsetzung der internationalen Norm für kleine und mittlere Unternehmen

von Gerhard Weindler

Qualität, Umwelt und Sicherheit haben in Unternehmen in den vergangenen Jahren ständig an Bedeutung gewonnen. Die ISO 9001 wurde seit ihrer Einführung Mitte der Achtzigerjahre zur weltweit wichtigsten Norm im Qualitätsmanagement (QMS). Aktuell liegt sie in ihrer vierten Aktualisierung aus dem Jahr 2015 vor. Die Norm prägt die Qualitätskultur in den zertifizierten Unternehmen, besonders unter Berücksichtigung von Umwelt- und Sicherheitsaspekten, und ist zu einem bedeutenden Erfolgsfaktor geworden, vor allem in produzierenden Unternehmen. Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems, die Hinführung zur Zertifizierung und die Zertifizierung durch eine unabhängige Zertifizierungsgesellschaft selbst sind für Unternehmen jedoch sehr kostenintensiv. Welche Vorteile bringt ein Qualitätsmanagementsystem? Und wieso sollten sich kleine und mittlere Unternehmen zertifizieren lassen?

Die ISO 9001:2015 stellt sich auf den ersten Blick als große Herausforderung für kleine und mittelständische Unternehmen dar, denn die neuen Anforderungen müssen umgesetzt werden. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Verstehen der Erfordernisse und Erwartungen interessierter Parteien
  • Qualitätsmanagementsystem mit dem Kontext und der strategischen Ausrichtung der
    Organisation zu vereinen
  • Risikobasiertes Denken zu fördern
  • Risiken und Chancen zu erkennen, die die Konformität von Produkten beeinflussen
    können
  • Maßnahmen zum Umgang mit diesen Risiken und Chancen zu entwickeln
  • Spezifisches Wissen von Mitarbeitern in der Organisation zu dokumentieren und zur
    Verfügung zu stellen
  • Steuerung von extern bereitgestellten Prozessen, Produkten und Dienstleistungen

Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems ist eine Entscheidung der Geschäftsleitung. Ein QMS funktioniert nur dann reibungslos, wenn allen Mitarbeiter/innen die Qualitätspolitik, die Qualitätsziele und die Arbeitsabläufe bekannt gemacht wurden. Die Prozesse müssen bei der Einführung des QMS genau beschrieben werden. Dann folgt eine Bestandsaufnahme der  Arbeitsabläufe als Ist-Zustand mit anschließender Beschreibung des Soll-Zustandes. Der Vergleich zwischen Ist- und Sollzustand wird in einem Maßnahmenplan erarbeitet und umgesetzt. Zum QMS zählen auch die Festlegung einer Strategie, die Zielsetzung, die Personalentwicklung und die ständige Verbesserung. Bis zu diesem Zeitpunkt sprechen wir nicht von Zertifizierung, sondern von Prozessoptimierung beziehungsweise der Einführung eines QMS, das jedem Unternehmen Vorteile und Kosteneinsparungen bringt.

Erst wenn sich die Geschäftsleitung für eine Zertifizierung entscheidet, müssen die Normanforderungen umgesetzt und erfüllt werden. Dazu zählen zum Beispiel die Strategie, die Zielsetzung, die Schulung der Mitarbeiter, ein Schulungsplan, das Erkennen von Chancen und Risiken, das interne Audit, Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen, Lieferantenbewertung, Kundenzufriedenheitsermittlung und die Managementbewertung. Die Zertifizierung nach ISO 9001 erfolgt durch eine unabhängige Zertifizierungsgesellschaft. Das Zertifikat hat drei Jahre Gültigkeit.

Aus der eigenen langjährigen Praxis der Projektarbeit in mittelständischen Unternehmen hat sich herausgestellt, dass erst die Weiterentwicklung des Qualitätsmanagementsystems zu Kosteneinsparungen führt. Ich wurde wiederholt von Inhabern kleiner Unternehmen angesprochen, ob sie sich zertifizieren lassen sollten. Mein Rat dazu: Die Einführung eines QMS bringt Kosteneinsparungen, Vorteile von stabilen Prozessen sowie eine Reduzierung von Fehlern und Ausschüssen beziehungsweise Nacharbeiten. Zertifizieren lassen sollten sich kleinere Unternehmen dagegen nur aufgrund einer konkreten Kundenanforderung. Wir sprechen von Unternehmen bis 100 Mitarbeiter.
Wenn der Schritt zur Zertifizierung notwendig wird, ist es bei den Anforderungen der Norm entscheidend, dass sich ein Unternehmen die Norm nicht „überstülpen“ lässt, sondern die Norm sich an die Unternehmensgröße anpasst. Ein wichtiger Punkt ist auch das Verständnis der Geschäftsleitung, der Führungskräfte und allen Mitarbeitern für ein funktionierendes und effektives Qualitätsmanagementsystem.

Bei der Umsetzung hin zum Norm-zertifizierten Unternehmen startet man mit einer Bestandsaufnahme der aktuellen Situation oder mit einer Kombination aus System- und Prozessaudit. Mitarbeiter kennen ihre Prozesse bestens und sind in der Regel eine große Unterstützung bei der Durchführung eines internen Audits. Nachfolgend werden einzelne Aspekte der Norm sowie mögliche Maßnahmen am Beispiel eines produzierenden Unternehmens aufgezeigt, um einen ersten Einblick zu gewähren.

Normabschnitt 4.1 (Auszug): Die Organisation muss externe und interne Themen bestimmen.

Das Unternehmen muss sich seiner Stärken und Schwächen sowie der Chancen und Risiken in Bezug auf die strategische Ausrichtung und der Wirksamkeit des Qualitätsmanagementsystems bewusst sein.

  • Die Strategie sollte schriftlich festgelegt, das Unternehmensleitbild neu entworfen und die Qualitätspolitik überarbeitet werden. Alle drei Punkte müssen Mitarbeitern bekannt gemacht werden, beispielsweise in einem Workshop.
  • Anhand einer SWOT-Analyse kann man Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken schriftlich erarbeiten. Dadurch könnte im Brainstorming des Strategieentwicklungsprozesses auch ein neues Geschäftsfeld für zusätzlichen Umsatz generiert werden.

Normabschnitt 4.2 (Auszug): Interessierte Parteien, die für das Qualitätsmanagementsystem relevant sind, bestimmen. Hier unterscheidet die Norm zwischen internen und externen Parteien.

Als interne Themen können unter anderem strategischen Geschäftsfelder, das Unternehmensleitbild, die Werte, das Image, spezifisches Wissen und technische Leistungsfähigkeit, finanzielle Eigenständigkeit, Kundenservice verbunden mit hoher Flexibilität und Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen festgelegt werden. Externe Themen sind beispielsweise die Beobachtung des Marktes, der Mitbewerber, aktuelle Trends, Stand der Technik heute und das Umfeld des Unternehmens, verbesserte Weiterbildungsangebote durch Inhouse-Schulungen, gesetzliche und behördliche Anforderungen stets zu erfüllen.

Der Normabschnitt 4.4 (Auszug): Die Organisation muss ein Qualitätsmanagementsystem aufbauen, verwirklichen, aufrechterhalten, fortlaufend verbessern und ihre Prozesse bestimmen.

Hier besteht die Hauptanforderung darin, gemeinsam mit den Mitarbeitern deren Prozesse zu analysieren, zu bewerten und die bestehenden Prozessbeschreibungen aktuell an die neuen Normforderungen anzupassen. Bei allen Prozessen wird der PDCA-Zyklus („plan-do-check-act“) als Basis angewendet. Die Messbarkeit der wirksamen Umsetzung des QMS und das Prozessmanagement stehen im Vordergrund. Durch die Prozessoptimierung wird eine Kostensenkung erreicht. Prozesse wurden standardisiert, stabilisiert und verbessert.

Dieses Beispiel für Unternehmen aus dem produzierenden Unternehmen soll konkrete Hinweise zur Umsetzung der Normforderung für ähnliche Betriebe geben, vor allem für solche, die bereits zertifiziert sind und die Umstellung auf die ISO 9001:2015 angehen.


Praxisratgeber ISO 9001:2015

Ein Handbuch zur Anwendung und Umsetzung der Norm in Klein- und Mittelunternehmen (KMU)

Gebunden, 223 Seiten, € 49,90, ISBN 978-3-95663-094-1
Steinbeis-Edition, Stuttgart

Professor Dr. Gerhard Weindler ist Leiter des Steinbeis-Transferzentrums ManagementQualität in Stuttgart und Direktor a. D. des Steinbeis-Transfer-Institutes Operations Management an der Steinbeis-Hochschule Berlin. Als Professor mit den Lehraufträgen Business und Management sowie Prozessorientiertes Qualitätsmanagement und Angewandtes Innovationsmanagement ist er seit vielen Jahren an Universität und Hochschule tätig.
Sein Arbeitsschwerpunkt im Technologiebereich ist der Transfer von neuen Technologien und die Anwendung in den Bereichen Ressourceneffizienz und Materialsubstitution in produzierenden Unternehmen.
Er unterstützt mittelständische Unternehmen in Projekten mit der Umsetzungsbegleitung über die komplette Lieferkette vom Rohstoff bis zur Entsorgung und bei der Produktneuentwicklung von der Idee bis zum marktfähigen Produkt. Durch Prozessoptimierung, materialeffiziente Produktion und Ursachenforschung zur Rückverfolgbarkeit des gesamten Geschäftsprozessmanagements wird eine enorme Kostensenkung erreicht. Als Coach im Unternehmen trägt er durch die Optimierung von Prozessen wesentlich zu wirtschaftlichem Erfolg und Nachhaltigkeit bei. Als Wirtschaftsprofessor wird er regelmäßig von Universitäten, Hochschulen, Organisationen und Verbänden für Vorträge eingeladen.

www.steinbeis-edition.de