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Erfolgreiche Unternehmen sind immer im Wandel: Der tägliche Drahtseilakt für Führungskräfte

„Wofür bezahlen Ihre Kunden? Ist Ihnen das klar?“ Diesen Satz platziere ich gerne in Vorträgen vor Führungskräften und bin immer wieder gespannt auf die Reaktionen im Publikum. Die Antwort auf diese simple Frage ist der wichtigste Orientierungspunkt für die Arbeit eines Unternehmens: Wem nicht klar ist, wofür die Kunden bezahlen, läuft Gefahr, Dinge zu tun, die von Kunden als nicht wertvoll erachtet werden – und bekommt irgendwann ein Ergebnisproblem. Hier beginnt bereits der Drahtseilakt für Führungskräfte: zu entscheiden, welche Aktivitäten aus Sicht des Kunden tatsächlich wertvoll sind und diese auch umzusetzen – Tag für Tag.

Was ist eine kraftvolle Strategie?

Dazu muss klar sein, wohin ein Unternehmen will. Eine vorstellbare und attraktive Strategie ist gefragt. Hier lauert das erste Spannungsfeld: Menschen haben sehr unterschiedliche Erwartungen an eine Strategie. Wenn ein Top-Manager ankündigt, in einem bestimmten Marktsegment um 25 Prozent wachsen zu wollen, fragt sich der Gruppenleiter in der Auftragsabwicklung:
Und was heißt das für mich?

Strategien sollten Bilder im Kopf von Mitarbeitern hervorrufen. Sie müssen konkrete Hilfen bieten, damit Mitarbeiter wie Führungskräfte im täglichen Betrieb Entscheidungen treffen können.

Da gute Ideen selten im Alltagsstress entstehen, müssen sich Führungsteams Zeit nehmen, um in entspannter Atmosphäre über die Zukunft zu diskutieren: Was werden unsere Kunden zukünftig schätzen? Wer werden in zehn Jahren unsere Kunden sein? Was wollen wir zukünftig nicht mehr tun? Und was bedeutet das für verschiedene betriebliche Funktionen? Es hilft wenig, wenn die Vertriebsabteilung verstärkt kundenspezifische Lösungen verkaufen möchte, um Nischenmärkte zu erschließen, während die Fertigung Serienproduktionsmethoden einführt, um Kosten zu senken.

Ziele müssen Sinn machen, trotz verschiedener Stakeholder-Interessen

Auch Mitarbeiter wissen, dass ihr Unternehmen profitabel wirtschaften muss, um zukunftssicher Arbeitsplätze anbieten zu können. Und hier beginnt der nächste Drahtseilakt für die Führungskräfte: einen Weg zu finden, der die verschiedenen Interessen unter einen Hut bringt. Kapitalgeber erwarten Kapitalrendite. Führungskräfte suchen persönlichen Erfolg. Mitarbeiter suchen sichere Arbeitsplätze und ein angemessenes Einkommen. Und dazwischen gibt es noch jede Menge weiterer Facetten. Meine Erfahrung ist, dass Mitarbeiter weniger Probleme mit Veränderungen haben, sondern vielmehr damit, verändert zu werden. Und je mehr sich Mitarbeiter in der passiven Rolle finden, desto stärker tendieren sie dazu, die negativen Aspekte der Veränderung in den Vordergrund zu stellen – sei es der neue Schreibtisch gegenüber der Toilettentür oder der neue Chef, der ohnehin nichts vom Geschäft versteht.

Den Kopf über den Wolken, die Füße fest auf dem Boden

Verschiedene Interessen zu befriedigen gelingt umso besser, je vorstellbarer und erfolgversprechender eine Strategie aus Sicht der Mitarbeiter ist und je mehr die Mitarbeiter ihren Führungskräften zutrauen, sie auf diesem neuen Weg erfolgreich zu machen. Von Chefs wird erwartet, dass sie sich um das große Ganze kümmern – um die Strategie und das Ziel, das die Firma erreichen will. Dazu müssen sie zwar die Realität kennen, ohne allerdings im Tagesgeschäft unterzugehen und den Weitblick zu verlieren. Ein weiterer Drahtseilakt.

Diese Brücke zwischen strategischer Veränderung und dem operativen Tun der Mitarbeiter zu bauen, wird gerne an das Change Management ausgelagert: Eine Methodik oder ein Prozess soll sicherstellen, dass gewollte Veränderung in der Realität ankommt. Ich behaupte: Wer führen kann, braucht kein Change Management. Führung ist nicht ohne ständige Veränderung möglich, weil sich die Welt um unsere Unternehmen herum ständig verändert. Klingt banal, ist es auch.

Heutige Rendite oder morgige Existenz?

Veränderungen brechen selten über Unternehmen herein wie ein Meteoriten-Einschlag. Meist ist es eher so, dass sich Marktveränderungen andeuten, aber nicht klar ist, ab wann diese wirklich an Moment gewinnen. Daher werden Entscheidungen aufgeschoben. Hier ist es Führungsaufgabe, eine Organisation vorzubereiten und nötiges Wissen rechtzeitig aufzubauen.

Der Drahtseilakt für das Management verbirgt sich hinter der Frage: Was ist wichtiger – heutige Profitabilität oder morgige Existenz? Der Automobil-Zulieferer ZF in Friedrichshafen beispielsweise hat den Elektronik-Konzern TRW übernommen, um sich für die Elektromobilität zu rüsten. Der Durchbruch der elektrischen Antriebe im Auto lässt hingegen noch auf sich warten. In solchen Phasen der Veränderung ist es entscheidend, die richtigen Experten zu vernetzen, um neues Wissen aufzubauen. All das kostet Geld.

Erfolgreiche Unternehmen kultivieren ihre Seele

Vor einiger Zeit lud mich ein befreundeter Unternehmer ein, einen Strategie-Workshop mit seinem Führungsteam zu begleiten. Das kleine Unternehmen war sehr erfolgreich und stark gewachsen. Aufgrund der vollen Auftragsbücher wurden neue Mitarbeiter eingestellt, auch ein paar, die nicht so gut ins Team passten. Die Führungsstruktur war nicht mitgewachsen. Der Chef war überfordert, die Stimmung schlecht. Im Workshop sagte dann eine Mitarbeiterin: „Wisst ihr was? Ich will wieder stolz sein!“ Alle schauten sie an. „Ja, ihr habt richtig gehört“, reagierte sie auf unsere Blicke. „Ich will wieder stolz sein. Und zwar auf unseren Chef. Ich will wieder stolz sein auf meine Kollegen. Wir gehen hier nur noch mit Giftpfeilen aufeinander los. Und dann will ich auch wieder stolz sein auf unsere Mandanten und auf das, was wir für sie tun.“ Ich zog innerlich meinen Hut vor dieser Mitarbeiterin, die Situation so auf den Punkt zu bringen: Die Seele des Unternehmens litt.

Führungskräfte wie Mitarbeiter müssen sich bewusst damit auseinandersetzen, welchen Wert sie für Kunden heute und in Zukunft schaffen wollen. Dann stellt sich automatisch die Frage: „Und wie kommen wir jetzt dahin?“ – und die Bewegung beginnt. Wenn dann Stolz entsteht, auf das, was man gemeinsam mit anderen im Unternehmen tut und den eigenen Beitrag dazu wahrnimmt, sieht man auch über den einen oder anderen negativen Effekt hinweg, den Veränderung im Einzelfall durchaus bedeuten kann. Das Verstecken hinter Prozessen nimmt ab. Die Unternehmensseele wird zur Kraftquelle für Veränderungen.

Bruno Hartmann hat in über 25 Jahren Berufspraxis Unternehmenswandel erlebt. Als Ingenieur in der Antriebstechnik und Führungskraft hat er dabei die Auflösung des Mannesmann-Konzerns erfahren und den Wandel eines Mittelständlers zu einem modernen Konzernunternehmen mitgestaltet. Der Ulmer Strategieexperte studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Rosenheim und schloss mit dem Master of Business Adminsitration (MBA) an der Clemson University in den USA ab. Heute hält er eine leitende Funktion im Vertrieb eines international führenden Technologie-Konzerns, dessen Aufsichtsrat er ebenfalls angehört.
Bruno Hartmann ist leidenschaftlicher Ingenieur, querdenkender Manager und begeisternder Vortragsredner. Sein Erfahrungsschatz in den Bereichen Unternehmenswandel, Strategie und Führung ist im eigenen Umfeld, in Führungsteams von anderen Unternehmen und bei Unternehmerverbänden gleichermaßen gefragt.

www.bruno-hartmann.com