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Axel Koch: Change meistern, statt ihm zum Opfer zu fallen

In vielen Unternehmen jagt ein Veränderungsprozess den nächsten. Vielen MitarbeiterInnen gehen die unaufhörlichen Change-Initiativen auf die Nerven. Zudem entsteht oft Angst, dem ständigen Anpassungsdruck nicht mehr gewachsen zu sein. Woran das liegt und was man in diesem Fall tun kann, erläutert Axel Koch, der in seinem Buch „Change mich am Arsch“ den Wert ständigen Wandels, lebenslangen Lernens und persönlicher Entwicklung erstmals so offen und plausibel in Frage stellt.

Bei meinen zahlreichen Gesprächen mit Change Betroffenen, konnte ich feststellen, dass es tatsächlich Schutzfaktoren gibt, die Change-Müdigkeit, innere Kündigung oder gar einen persönlichen Veränderungskollaps verhindern. Mir sind Menschen begegnet, die mit diversen Chef-Wechseln, Restrukturierungen oder Kulturveränderungen im Unternehmen gut zurechtkamen und auch nicht bei schnell aufeinander folgenden Richtungswechseln aus der Kurve flogen. Kennzeichnend für sie waren bestimmte Denk- und Verhaltensweisen, die auch eine Vielzahl von Studien aus der Veränderungsforschung als überlebenswichtig identifiziert haben. Was ist nun also das Geheimnis im Umgang mit den zunehmenden Change Anforderungen?

Erkennen Sie, wenn es zu viel wird und ziehen Sie die Reißleine

Die meisten Menschen erkennen innerlich sehr gut, wenn es ihnen zu viel wird. Das Problem ist: Viele machen dann weiter. Gerade Menschen, die grundsätzlich sehr flexibel und veränderungsbereit sind. Denn sie sind sehr bemüht, sich immer wieder aufs Neue anzupassen und übersehen dabei leicht innere Warnsignale.

Weitermachen ist aber riskant. Das ist so, als würden Sie die aufflackernde Tankleuchte im Auto ignorieren. Machen Sie stattdessen lieber einen Boxenstopp, wie die Rennfahrer. Die wichtigste Haltung dabei ist: Ich nehme nicht hin, was mich kaputtmacht. Sondieren Sie die Lage.

Gehen Sie in die Gestalterhaltung statt die Opferhaltung.

Es ist eine Frage der Haltung und der inneren Überzeugung, was Change Prozesse mit Ihnen machen. Die Psychologie unterscheidet hier zwei Haltungen: Die Gestalter- und die Opferhaltung. Gestalter glauben, auch in schwierigen Situationen etwas bewirken zu können. Sie schauen auf ihre Einflussmöglichkeiten. Sie überlegen, was sie selbst aktiv tun können, um ihre Lage positiv zu beeinflussen. Sie sind optimistisch, das Problem lösen zu können.

‚Opfer‘ dagegen sehen sich als Gefangene von Herkunft, persönlichen Eigenschaften oder Rahmenbedingungen. Sie glauben, sie können angesichts einer schwierigen Situation nicht viel oder gar nichts ausrichten. Ihnen fällt es schwer, aktiv zu werden und zu handeln. Folglich warten sie ab. Sie grübelnund jammern. Sie schimpfen auf andere, die ihnen das vermeintlich angetan haben. Sie verharren in Hilflosigkeit und trüben Gedanken.

Die meisten Menschen haben von Natur aus einen Hang dazu, sich in den Opfer-Modus zu begeben. Das ist ganz normal, wenn man sich mitten im einem Veränderungsprozess befindet.. Doch machen Sie sich dann klar: Sie sind nicht zur Opferrolle verdammt.

Die folgenden Fragen helfen Ihnen, Ihre Chancen und Möglichkeiten auszuleuchten:

Wieviel Prozent Einfluss habe ich auf meine momentane Situation? Von 0 bis 100 Prozent.
Worin besteht genau dieser Einfluss? Was kann ich aktiv tun? Was liegt in meinem Handlungsbereich?
Und wenn es gefühlt nur 5 Prozent sind – wie nutze ich diese? Wie würden andere Menschen diese Freiheitsgrade nutzen? Menschen, die ähnlich sind wie ich? Oder gerade auch Leute, die ganz anders sind?
Welche vergleichbaren Situationen habe ich schon erlebt, und was hat mir geholfen?
Welches sind meine wichtigsten Stärken, die mir bisher geholfen haben, schwierige Situationen zu überwinden?
Wie können diese mir in diesem Fall helfen?
Welche Werte und Einstellungen (z. B. Sicherheitsdenken, Status-Wunsch) sorgen dafür, dass ich mich in der Situation gerade gefangen fühle? Was würde mir mehr Luft verschaffen?
Stellen Sie sich vor, Sie verharren die nächsten Wochen und Monate weiterhin in diesem Opfer-Modus: Wie geht es Ihnen bei diesem Gedanken? Wie wird sich Ihr Zustand entwickeln? Wann ist für Sie die Grenze erreicht, wo Sie sagen, das will ich mir nicht mehr antun? Was würden Sie tun, wenn Sie über die Grenze gekommen sind?
Welche Unterstützung von anderen Menschen können Sie nutzen? Wen um Hilfe, Feedback, Rat bitten?
Wer könnte Ihnen „auf die Schulter“ tippen und Ihnen von außen rückmelden, dass Sie im Opfer-Modus festhängen, damit Sie wieder umschalten können?

Seien Sie sich dabei gewiss: Es gibt immer mehr Optionen als Sie vermuten.

Erkennen Sie Ihre eigene Veränderungs-Balance und schützen Sie diese.

Mit dem Modell der Veränderungs-Balance können Sie systematisch erkunden, wie es um Sie steht und was Sie brauchen, um im Change nicht unterzugehen.

Das Veränderungstempo (senkrechte Achse) beschreibt die Häufigkeit von Veränderungen, die Sie erleben. Das Veränderungsausmaß (waagerechte Achse) gibt an, wie sehr Sie sich aufgrund neuer Tätigkeiten und Anforderungen in Ihrem Denken oder Verhalten verändern müssen.

Die grau dargestellte Warnzone zeigt, dass – wie oben erwähnt – die meisten Menschen einen guten inneren Kompass dafür haben, wenn es beginnt zu viel zu werden. Diese Warnzone ist vergleichbar mit dem Übergang vom Strand zum Wasser an einem Meer. Haben Sie gerade erst eine Zehe im Wasser, stehen Sie schon mit dem ganzen Fuß drin, oder schwappt Ihnen das Wasser bereits über die Knie?

Bei jedem gibt es eine individuelle Grenze (gestrichelte Linie), an der das Veränderungstempo, das
Veränderungsausmaß oder beide zusammen in einen kritischen negativen Bereich abdriften. Um im eben genannten Bild zu bleiben:  Ihnen steht das Wasser dann quasi schon bis zum Hals.

Checken Sie mit dem Modell Ihre Lage und werden Sie aktiv, wenn Sie sich Ihrer Warnzone oder gar Ihrer inneren Grenze nähern. Die vier Felder in dem Modell haben die folgenden Bedeutungen:

Veränderungs-Balance: Psychologisch gesehen ist dies der Idealzustand. Dies ist der Fall, wenn sich Veränderungstempo und -ausmaß auf einem individuell angemessenen Level bewegen und Sie diese gut meistern können.
Erschöpfung: In dem Feld ist zwar das, was Sie an neuem Wissen oder Fertigkeiten lernen sollen, grundsätzlich machbar und entspricht auch Ihrem Stärkenbereich, nur ist das alles in der zur Verfügung stehenden Zeit eine Überforderung. Das geforderte Anpassungstempo führt zu Stress und Erschöpfung.
Nicht mein Ding!: In dem Fall müssen Sie Aufgaben und Arbeiten leisten, die nicht im Bereich ihrer Stärken liegen. Obwohl das Veränderungstempo in diesem Feld eher gemäßigt ist und damit im Prinzip auch Zeit für Schulung und Übung vorhanden ist, kommen Sie nicht auf ein angemessenes Leistungsniveau. Menschen haben in dem Fall das Gefühl, eine Tätigkeit passt nicht zu ihnen oder sie müssen sich verbiegen. Es macht einfach keinen Spaß. Sie fühlen sich deplatziert und falsch. Wenn Menschen trotz Anstrengung und grundsätzlicher Veränderungsbereitschaft nicht so richtig vorwärtskommen, entstehen Selbstzweifel und die Motivation sinkt auch.
Selbstvergewaltigung: Dieses Feld ist besonders kritisch, da beides zusammenkommt. Sie müssen zu schnell zu viel lernen oder sich verändern und gleichzeitig passen die Aufgaben und Tätigkeiten nicht zu Ihren Werten und Stärken. Diesen Zustand kann eigentlich niemand unbeschadet lange aushalten. Psychische und körperliche Erkrankungen sind die Folge.

Mit dem Modell der Veränderungsbalance haben Sie nun ein Werkzeug in der Hand, mit dem Sie sich im Change jederzeit bewusst einschätzen und steuern können. Nutzen Sie das Modell. Übernehmen Sie selbst das Ruder. Lassen Sie sich nicht kaputt verändern.

 

Grafik stellt das Modell visuell dar: Modell der Veränderungs-Balance

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Ullstein Verlagsblog resonanzboden.com